Was wäre, wenn ich jetzt einfach springe. Alles hinter mir lasse und von vorne anfange. Noch einmal.
Niemand hat mir jemals gesagt, ich könne alles schaffen, was ich wollte. Das habe ich gelesen. In Büchern, Artikeln. Habe es gehört, über Ecken. Der hätte mal etwas gesagt, zu jemandem, den dieser jemand kannte. Und so weiter. Und dann habe ich es mir selbst gesagt ohne es wirklich zu glauben. Alles Mantras aus Ratgebern. „selfconfidence for dummies“.
Trotzdem stehe ich nun an dieser Klippe zu neuen Ufern, ganz nah, schaue vorsichtig über den Rand, ahne, was da kommen könnte und habe: Angst. Wenn ich mehr als nur meine Zehen hervorstrecke, fürchte ich den Sturz und damit das Versagen. Nein, schlimmer noch, es nicht mal zu versuchen! Und dann davor, in ein paar Jahren dazustehen, und es zu bereuen. Kettenreaktion der Angst. Auf die folgt: Stillstand.
Letztens las ich folgendes:
What if everyone decides to finally do all the things they were ever afraid of?
Ja, was wäre dann? Wären wir alle genau das, was unserem innersten Ich entspräche? Würde es keine unzufriedenen Arbeitnehmer mehr geben, die ihr Dasein in einem Job fristen, den sie hassen, der ihnen aber nichts abverlangt. Oder nicht in Frage stellt, was sie in ihrem Inneren immer zu sein glaubten? Bei dem sie nie springen mussten? Vielleicht würde das unsere Gesellschaft grundlegend verändern. Möglicherweise wären wir alle glücklicher, zufriedener, unabhängiger.
Oder aber es würde uns zerstören. Denn Angst bewahrt uns oft vor Dingen, die wir ohne nötigen Respekt, unterschätzen oder an denen wir kaputt gehen würden. Beispielsweise bereitet mit der düstere Schleichweg vom Edeka zu mir nach Hause nicht umsonst ein bisschen Unbehagen. Der nächste Vergewaltiger lauert gefühlt hinter jedem zweiten Baum, deswegen hab ich meinen Schlüssel dort auch immer in der Faust, mit den Zacken zwischen den Fingern. Nur für alle Fälle. Denn man weiß ja nie.
Die Angst allerdings, die ich jetzt an dieser Zweigstelle meines Lebens spüre, ist eine andere. Um zu tun, was ich möchte, muss ich etwas wagen. Mich „dort hinaus“ wagen. Ohne Schlüssel zwischen den Fingern. Mich gefühlt bis auf die Haut ausziehen, begutachten und bewerten lassen. Über mich und mein Talent entscheiden lassen. Etwas, was ich meist für mich behalten hab und keiner Leistung, keinem Druck hab unterwerfen wollen. Sollte es für ausreichend betrachtet werden, kommt noch mehr auf mich zu, was mir Angst macht. Ich muss altes, gewohntes hinter mir lassen. Ich WILL dann – ja. Aber was ist, wenn… ja, was ist dann?
Dieses spezielle Gefühl ist wie damals, als ich das erste Mal vom Dreier springen musste. Bevor ich das getan habe, vor vielen Jahren, bin ich ein einziges Mal rückwärts wieder runter geklettert. Dort stand ich dann – auf den lauwarmen, geriffelten Fliesen unserer Schwimmhalle. In meinem lilalen Badeanzug, die langen Haare zu zwei triefend nassen Zöpfen geflochten und wünschte mich wieder hinauf. Denn viel schlimmer als zu springen, war das Gefühl, es nicht getan zu haben.
Spring! Oder sieh zu wie andere es tun.
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