Schon jetzt erschöpft lasse ich mich City-Pauschalreisen-Weichling auf die harte Sitzbank der Hochbahn fallen, zerre mir den Rucksack vom Leib und lasse ihn vor mir auf den Boden gleiten.
Ich schließe die Augen und lasse alles auf mich wirken. Denke nur an den nächsten Schritt. Und an das Endziel. Und plötzlich setzt es ein: Das Kribbeln. Der Moment, in dem du endlich realisierst: Das wird ein erstes Mal. Eine neue Erfahrung. Wie der Moment als ich beim Friseur saß und er mir von meinen 35 Cm Haaren zwei Drittel einfach abschnitt. Genau das Gefühl, welches ich so oft noch in meinem Leben haben möchte. Genau das setzt endlich ein.
Sie wissen schon, dass das mehr als 100ml sind?
Es ist also Ende März. Mein lang erhoffter, halb geliebt, halb gehasster Urlaub und die damit einhergehende erste Alleinreise meines Lebens, die ich gerade antrete. Nach meiner Trennung vor nun etwas über einem Monat. Nach all dem verrückten Kram, der allein in den vergangenen drei Monaten passiert ist und nicht zuletzt nach den letzten paar Tagen, in denen ich beschloss hatte: ich verreise alleine, jetzt ist es an der Zeit. Und die ich dementsprechend fieberhaft Flüge vergleichend und Routen planend vor dem Mac verbracht hatte.
Schlussendlich war es mir fast egal gewesen, wohin es gehen sollte. Dass es jetzt dann doch Neapel ist, wie ich schon vorher geplant hatte, nun, das ist eher reiner Zufall als nostalgische Erinnerung an eine vergangene Zeit.
Ich bin zu spät. Wie immer. Letztendlich schaffe ich es aber doch zum Flughafen. Rechtzeitig! Zum Glück musste ich mich bei der Sicherheitskontrolle vieler schwerer Shampooflaschen entledigen, die mir mit leicht süffisamten Grinsen aus der Tasche gezogen wurden.
„Sie wissen schon, dass das mehr als 100ml sind.“ Die Dame von der Sicherheitskontrolle und ich starren beide etwas ungläubig auf die 250ml Bodylotion in ihren Händen.
„Ähmm,“, entweicht es mir. „Jaaaa.“ Ich merke wie ich leicht rot werde und sehe weg, als sie zwei weitere Flaschen in den Container gleiten lässt. Wie der erste Mensch, denke ich, als ich dann im Bodyscanner hin und her schwanke und nicht so recht weiß, wie ich stehen, mich drehen und dann die Arme in die Luft reißen soll.
Mein Backpack ist also dementsprechend leichter, als ich an meinem Gate sitze und über Kaffee nachdenke, den ich heute noch nicht gehabt habe. Schon jetzt fühle ich mich abenteuermäßig, auch wenn ich weiß, dass noch nichts, absolut gar nichts, passiert ist und ich mich einfach anstelle wie ein kleines Mädchen. Aber dennoch geht es mir gut, sehr gut sogar, als ich im Flugzeug am Fenster platz nehme, die Augen schließe und mich auf den besten Moment des Tages freue: Den Start.
Drei Stunden, ein überteuertes Evian Wasser am Flughafen Köln und eine neue Facebook Freundschaft später, lande ich in Neapel. Ich sehe den Vesuv, ich sehe das Meer in der Ferne glitzern und werde sofort aufgesogen von der pulsierenden, chaotischen Stadt, die mir absolut fremd ist und dessen Bewohner gehetzt an mir vorbeirennen. Ich brauche nicht lange um zum Hostel zu finden, welches ziemlich verlassen vor mir liegt als ich einchecke. Eine alte Klosteranlage mit schönem Innenhof, ruhigen, großen Zimmern und netten Aufenthaltsräumen. Mehr habe ich nicht erwartet, mehr brauche ich nicht. Aber ich fühle mich sofort wohl, hier etwas versteckt und abseits der lauten Stadt.
FOOD
Hier müsst ihr hin: Pizza bei SORBILLO. Pizza fantastica!
Abseits der Pizza hatte ich allerdings große Probleme mit dem Essen. Sicher, wer gerne süße Teilchen, Frittiertes und Überbackenes auf die Hand mag, der wird hier immer satt. Wenn man aber wie ich auf dem healthy living trip ist und mir foodcravings wie Pizza, Croissant und co mittlerweile ziemlich abgehen, hat man, was Essen angeht leider nicht viel Spaß. Salate, Säfte, Smoothies oder Jogurt habe ich zumindest to go dort tatsächlich nicht finden können. Also gab es bei mir meist frisches Obst oder trocken Brot auf die Hand. Meeh, war halt so.
POMPEII
Gleich am ersten Tag meiner Alleinreise habe ich mich mit anderen aus dem Hostel auf nach Pompeii gemacht und muss sagen, dass es mich ziemlich von den Socken gehauen hat. Nicht nur rein vom Eindruck her, sondern allein von den Gedanken, die einem durch den Kopf schießen, wenn man diese ganze Stadt vor sich liegen sieht, die von heißer Lava verschlungen und nun über Jahrhunderte wieder ausgegraben wurde. Man wandert durch Straßen, Gassen, kreuzt riesige Plätze, durchstöbert die Häuser reicher oder armer Leute und kommt sich seltsam dabei vor. Fast so, als würde man die Privatsphäre einer gesamten Gesellschaft stören.
Stellt Euch einfach mal kurz vor, Eure Stadt würde zerstört werden. Und ein paar Hundert Jahre später würden Tausende von Touristen durch Euer wieder aufgebautes Schlafzimmer trampeln. Ich fand es auf eine befremdliche Art und Weise sehr faszinierend und hätte dort noch viel länger sein können als die 4 Stunden. Denn: Es ist eine ganze, verdammte Stadt! Kein Museum. Eine richtige Stadt. Eine besonders eindrückliche Erfahrung, die mich sehr inspiriert hat. Parallel sitze ich gerade an einem anderen Text über die Vergänglichkeit von Dingen, von Leben, von allem einfach, eben auch, weil mich Pompeii diesen Gedanken noch ein wenig näher gebracht hat.
AMALFI COAST
Zugegeben, Neapel ist zwar faszinierend, doch das, wonach ich wirklich gesucht habe, habe ich nicht dort gefunden ,sondern ausserhalb – an der Amalfi Küste. Beim Unterwegs sein, beim Reisen.
Das Unterwegs sein bringt für mir auf einer anderen, nicht physischen Ebene Befreiung. In meinem Kopf wird alles weit, ich kann mich selbst besser einordnen und schaffe neue Perpektiven.
Vielleicht ist es der schnelle Wechsel von verschiedenen Landschaften, die an einem vorrüber ziehen. Vielleicht ist es das Gefühl, sich nur auf sich selbst verlassen und aus eigener Kraft heraus neue Orte entdecken zu können. Dass man sich selbst beweist, diese zwei Beine, die können mich tragen, wohin ich möchte. Ich bin frei, ich schaffe das. Ich möchte diese Orte sehen und ich bringe die Energie auf, dort hinzukommen.
Die raue Schönheit der Amalfi Küste, die versteckten Ortschaften, Sorrento und Positano – das alles war das unerreichte Highlight meiner Reise.
Von Neapel fährt eine Bahn, die Circumvesuvio, nach Pompeji und von dort aus weiter nach Sorrento, von wo aus man einen Bus nehmen kann, um weiter entfernte Ortschaften entlang der Küste zu entdecken. Die Busfahrt ist ein kleines Abenteuer, es geht schmale Serpentinen entlang, und unter lautem Gehupe wird man zwar nahe des Abgrunds, aber mit einer fantastischen Aussicht aufs Meer vorankutschiert.
Sorrento ist ein richtig hübscher Bilderbuchort mit kleinen Geschäften und teuren Boutiquen. Einem kleinen Hafen, einem noch kleineren Strand mit gelben Badehäuschen und mehreren Stegen ins Meer hinaus. Das Wasser wirkte unglaublich klar. Und verzeiht man asiatischen Touristengruppen ihr lautes Ah und Oh bei allem, was europäisch schön ist, hat man in Sorrento viele Plätze in der Nebensaison für sich. Für Fotos oder einfach nur, um sich auf der Hafenmauer in die Sonne zu legen, einen Apfel zu essen und Gedanken aufzuschreiben. Letzteres habe ich getan und mich unglaublich wohl mit mir selbst gefühlt.
Ich nehme den ersten Weg bergab, den ich finden kann
Und Glück, so wurde mir klar, ist eben keine ganze Zeitspanne von Tagen und Wochen oder das Endziel, was es zur erreichen gibt. Es ist auch keine manische Phase, in denen man hüpfen und springen möchte. Kein #happypuppie unter einem Photo. Es sind eben diese kleinen Momente, in denen man fühlt, dass man zufrieden mit sich und der Welt ist. Mit der eigenen vergangenen Geschichte, die einen genau zu diesem Punkt auf der Welt gebracht hat. In dem man ganz langsam ein- und ausatmet und zur Ruhe kommt. Es rastet etwas ein. Ein Gefühl von es hat sich gelohnt. Ich würde nichts anders machen. Ich bin auf dem richtigen Weg. Und das, weil ich hier und da für mich eingestanden und einem Gefühl gefolgt bin, ohne zu wissen, was auf mich zukommt.
Die Atmosphäre dort, wie langsam die Zeit an diesem Ort zu verstreichen scheint, die warme Luft, die sich in kleinen Gassen staut und die Gastfreundschaft der Menschen… Eines Tages komme ich wieder. Miete mich dort in eine kleine Pension am Hang und verbringe einige Tage schreibend, Wein trinkend und meinen Gedanken nachhängend mit Blick auf endloses Blau. Versprochen.
Bilder: Ich mit meiner Canon600 (50mm) und der Iphone 6s Camera.
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