Pic’s or it didn’t happen!
Die Zeit ist passiert, ja, auch das Erwachsenwerden. Aber ebenso Facebook und Tinder. Klicks und Likes und Chats. Wir haben alle massig viele Freunde – auf facebook. Im virtuellen Raum sind wir umzingelt von Menschen, die uns ihre Aktivitäten in kleinen Portiönchen auf unserer Timeline präsentieren. Wir kommen uns unfassbar informiert vor, haben das Gefühl gar nicht mehr durchklingeln zu müssen, denn eigentlich wissen wir ja alles. Es gab ja Fotos davon. Alle Urlaube, Konzertbesuche, Life Goals zusammengefasst im www. Wieso da noch sprechen? Und sowieso, der Andere ist ja eh nur einen oder zwei Klicks entfernt. Ich könnte ja jeder Zeit…
Wenn ich Zeit habe, skype ich mal durch. Wir sprechen spontan, ich meld mich dann! Ich schreib dir! Ganz sicher! In sechs Monaten, dann…
Und weil es so einfach ist, so unmittelbar at hand, tun wir es nicht. Selbst wenn wir gerade zufällig am gleichen Ort sind, eilt es ja nicht, gibt ja noch Whatsapp. Oder so.
Aber die Bindungen, die mal da waren, deren Grundfeste aus persönlichem Miteinander, nächtlichen Joggingrunden entstanden sind, lassen sich nicht durch facebook aufrecht erhalten. So schön das auch wäre, zwischenmenschlich ist NICHT virtuell ersetzbar. Genauso wie echte Bindungen zu Menschen nicht online zu finden sind sondern nur im echten Leben. Da begegnen wir auch den echten Menschen, nicht nur der Hyperreality, der geschönten Darstellung ihrer Selbst: den Selfies. Und haben dann auch das Gefühl, Wert für den anderen zu besitzen, was doch Grundvorraussetzung für Freundschaft, Liebe, Bindung ist, oder? Wieso sollte ich mich noch mit jemandem abgeben, so viel er mir mal bedeutet hat und es vielleicht noch tut, wenn dieser auf mein fucking instagram Profil geht, um herauszufinden wie es mir geht. Aber nicht anruft oder sich um ein persönliches Gespräch bemüht, nicht um eine ehrliche persönliche Frage? Sorry, wirklich nicht.
Das was bei uns allen dann entsteht, auf der einen sowie auf der anderen Seite, ist eben das Gefühl, dass wir keinen wirklichen Wert mehr für die Menschen in unserem Leben besitzen. Sie würden sich ja melden, wenn es so wäre. Und so verschanzen wir uns gegenseitig wohl immer mehr hinter unseren Screens.
Ich denke wir alle sehnen uns danach. Nach Menschen, nach Freundeskreisen, die alt und wichtig und wertvoll sind. Nach Gesprächen, in denen man nicht viel erklären muss, sich einfach versteht. In denen man schwierige Themen bespricht, die irgendwie unvorbereitet, ungefiltert aus einem herauskommen und man dann in dem Gesicht des anderen das Nicken sieht. I feel you, ja das bist du und das bin ich. In einer Minute der Stille greife ich nach deiner Hand, weil ich weiß, was du meinst. Und selbst, wenn nicht. Ich frage nach! Direkt! Und missverstehe dich nicht durch meine eigene Interpretation des von dir geposteten Bilds.
Wir sehnen uns danach und wir suchen danach. Und ich verstehe, das das danach Suchen viel Zeit kostet und dass uns das Internet und Apps wie Tinder versprechen, dieses Bedürfniss schnell und kostengünstig auf dem Weg nach Hause in der Bahn zu befriedigen.
Aber wie kann ich etwas solides, echtes von einer App erwarten, die mich auffordert Abbilder von Menschen zur Seite zu wischen, weil mir die Nase nicht passt? Oder weil der Typ keine 1,80 m misst, ich aber gerne hohe Schuhe tragen würde.
Swipe me! Or don’t.
Ich habe viele meiner alten Freunde verloren. Da bin ich ehrlich. Einen der Älteren erst letztens, vor einem Jahr, einige Weitere davor. Sei es aus Umzugsgründen, aus Streitigkeiten, aus einfachem Geschäftigsein. Aber ich vermisse jeden einzelnen von Ihnen. Ich vermisse die Bindungen zu jedem von ihnen, denn mit jedem hat mich etwas bestimmtes verbunden.
Plus ich vermisse den Menschen als MENSCH und nicht als Funktion. Nicht als Platz, aka Bedürfnis in meinem Leben, der nun irgendwie frei ist und gefüllt werden muss, sondern als nicht ersetzbaren Charakter. Nicht als guten Sex, die eine Liebe, beste Freundschaft – die Schubladen, die wir kennen – sondern ich vermisse sie als das echte Gefühl nach einer geteilten Zeit miteinander, die uns beiden mehr gegeben hat als ein Durchscrollen des online Profils.
Das Umsortieren meiner Box hat mir nicht nur gezeigt, wie vergänglich alles ist, sondern auch, dass Freundschaften, Liebe usw. einfach Pflege bedürfen. Und Zeit und Investition. Dass Menschen, einige im Speziellen, durch nichts zu ersetzen sind. Dass ich viele von ihnen gerne wiedersehen würde, wenn sie doch begreifen würden, dass mein Online Profil nicht den Kontakt mit mir ersetzt. Und da meine ich nicht nur sie, auf der anderen Seite, ich meine auch mich! Ich würde ihnen gerne den Wert vermitteln, den sie in meinem Leben haben, komme aber nicht durch. Social media verstellt mir den Weg, obwohl es ihn mir doch einfacher machen sollte.
Achtung nach dem Konsum dieses Textes: Das Ganze hier ist kein Freunde-Bashing, es richtet sich auch nicht speziell gegen Facebook oder eine bestimmte Person. In diesem Text wird lediglich aufgegriffen, was uns allen schon lange auffällt: dass der soziale Internet Wahnsinn niemals ersetzen kann, was wirklich Wert hat. Und dass, wenn wir den Wert unseres Gegenüber sehen und wir nicht am Ende des Tages alleine unseren Weg gehen wollen, immer mit dem Iphone vor der Nase, wir diesen gefühlten Wert auch real vermitteln sollten.
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Hallo Frau Moods, wie immer ein toller Text, der zum Nachdenken anregt.
Mit philosophischen Grüßen, Rid Irkules