Ich denke an praktische Sachen. Also Dinge, die ich mit meinen Händen tun kann, um mich von den Themen in meinem Kopf abzulenken. Oder sie leichter zu machen, zu ordnen und von ihnen loszukommen. Deshalb liebe ich auch das Schreiben. Es ist etwas, was ich mit meinen Händen tun kann, was mich aktiv werden lässt, meine Gedanken aber gleichzeitig mit einbezieht. Und ich liebe backen.
Kneten, Riechen, Schmecken
So richtig der häusliche Typ bin ich ja nicht. Kann ich zwar sein, wenn ich will, aber richtig Wollen, das fühlt sich anders an. Ich backe, weil ich es mag mit meinen Händen etwas zu formen, zu schaffen, zu verändern. Die Aktivität des Knetens von feuchten Konsistenzen, sie zu verbinden und am Ende etwas ganz anderes zu haben, das macht mich auf eine Art und Weise ruhig und entspannt, die sehr tief geht. Noch dazu kann ich dabei nachdenken ohne Themen nur hin und her zu wählzen. Es ist eher ein rythmisches, sehr struktuirertes Denken, das keine Lösung will – also eher ein Verarbeiten. Eben so, wie ich dabei Salz, Mehl, Zucker und Ei rythmisch zu einer Einheit verarbeite. Dabei nehme ich fast immer meine Hände und verzichte auf geräuschintensive Küchenmaschinenen. Wie sollte ich sonst meine eigenen Gedanken hören?
Ich bin sicherlich nicht alleine mit diesem Verhalten. Viele Menschen putzen, wenn sie sich aufgewühlt fühlen, räumen um, sortieren aus oder schreddern Altpapier. Es scheint fast so, als sei es eine uns instinktiv gegebene Eigentherapie, die sofort Linderung verschafft. Denn wenn ich am Ende des Prozesses meinen Kuchen, die Kekse oder Pizzen aus dem Ofen hole, fühle ich mich gleich besser. Weil ich etwas getan habe, etwas haptisch wahrgenommen, meine Sinne stimuliert habe und weil sich fast sofort ein Erfolgserlebnis einstellt. Ich habe etwas erschaffen. Ich habe etwas getan und daraus ist in kurzer Zeit etwas entstanden.
„I am the Master of my fate, I am the captain of my soul.“ (William E. Henley)
Erfolgserlebnisse sind ein enorm wichtiger Bestandteil der Zufriedenheit. In meinen Studium sprachen wir über Studien und Essays, die sich mit dem Thema beschäftigen, warum der moderne Mensch mit all seinen Möglichkeiten, mit all dem zur Verfügung stehenden Komfort sich manchmal einer großen Unzufriedenheit gegenüber sieht. Ein Gedanke dahinter ist, dass wir zunehmen in „white collar jobs“ stecken, also (in diesem Kontext) in Jobs, in denen wir wenig mit unseren Händen tun, in Büros sitzen, uns selten bewegen und den Outcome unserer Arbeit ebenso selten zu Gesicht bekommen. Im Gegensatz zu „blue collar jobs“, die körperlich anstrengender sind, in denen man sich viel bewegt aber auch das Produkt seiner Anstrengung am Ende tatsächlich sieht. Arbeit und Produkt schient in der heutigen Zeit zunehmend voneinander gelöst zu sein. Abiträr.
Ein spannendes Thema, ein guter Ansatz. Vielleicht sollten wir mehr in die Hand nehmen.
Etwas in die Hand zu nehmen, das bedeutet ja nicht nur die Dinge real anzupacken, sondern auch, etwas metaphorisch gesprochen anzugehen. Themen zu verarbeiten, sich nicht so dahintreiben zu lassen, sondern etwas zu verändern. Du hast schon lange den Plan dich wieder mehr mit deinen Freunden zu treffen, mehr Zeit für soziale Unternehmungen zu haben? Geh es an, langsam, meld dich mal wieder bei dem einen oder anderen, bring Regelmäßigkeit rein. Zeig, dass du da bist. Du hast vor dich mit neuen Dingen zu umgeben, neues zu lernen? Mach eine Liste darüber, was Du immer schonmal tun wolltest. Oder was Du tun würdest, wenn Geld und Anerkennung keine Rolle spielen würden.
Und genau dieses „Dinge mal angehen“ suggeriert mir wohl das Backen. Es ersetzt natürlich nicht, dass ich ein paar wichtige Faktoren in meinem Leben verändern muss, aber es zeigt mir, dass ich Dinge verändern kann, wenn ich aktiv werde. Und dass Erfolgserlebnisse inmitten einer unzureichenden Woche gar nicht so weit entfernt sind, wie sie scheinen. Dass ich, auch wenn ich an einem freien Tag mal wieder zu Hause in Lähmung verfallen bin, mich wieder aufrappeln kann.
Und ein bisschen Süßes im Anschluss, das aus eigener Herstellung stammt? Wen durchströmt da nicht ein angenehmes Gefühl der Zufriedenheit.
Hier geht’s also zum nächsten Erfolgserlebnis!
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