Diese Frage möchte ich vielen Menschen gleich als Erstes stellen. Wonach suchst Du? Gerade heraus, ohne Small Talk vorweg. Gleich voll ins Thema, voll unter die Oberfläche. Abgesehen davon, ist die Frage mehr als zeitgemäß.
Denn in meiner Generation scheinen viele auf der Suche zu sein. Aber wir finden nicht viel und oft wissen wir nur vage, was oder wem wir da nachjagen…
Es ist 3.16 Uhr, Samstag Morgen. Ich komme gerade aus einem regional bekannten Club, in welchem ich weder Spaß hatte, noch irgendeine andere Art von Bereicherung erfuhr.
Die Musik: schlecht.
Der Sound: blechern.
Dazu war es ziemlich leer und das wenig vorhandene Publikum so durchwachsen, dass man sich nicht
Hätte ich Eintritt bezahlt, ich hätte mich spätestens an dem Punkt geärgert, als mir der erste gefühlt 16 Jährige mit seiner Champagnerflasche in die Arme fiel. Es gibt eben solche und solche Abende. Aber was ich jetzt hier an meinem Schreibtisch empfinde, kommt, fast wortwörtlich, einer Art von Ernüchterung gleich.
Ich beobachtete besagte 16jährige Schuljungen, die kaum noch stehen konnten und Ende 50jährige Herren mit 20 Jahre jüngeren Begleitungen. Den Partyfotografen, der seinen Job verteufelte, und alleinstehende Männer, die versuchten, zwanghaft ins Gespräch zu kommen. Hallo Clubkommunikation. WAS!? …JA! …NEIN!… WAS? AHA. Zwecklos.
Je länger ich dort stand und mich weigerte, auch nur ansatzweise zu solch schlechter Musik zu tanzen, desto mehr wurde mir bewusst, dass alle aber eines gemeinsam hatten: Sie waren auf der Suche. Es wurden Hälse gereckt, Köpfe gedreht, der Eingang beobachtet. Es schien nicht, als ob man in erster Linie gekommen wäre, um Spaß zu haben oder den Stress der Woche wegzutanzen, nein. Sie suchten. Nach einem Partner für die Nacht, nach Konversation, Freundschaft, Rausch, Liebe, Aufmerksamkeit. Nach einem Blick, der ihnen begegnete. Oder einem Körper, der ihnen gefiel. Oder einem Menschen, den sie in ihrer Vorstellung schon längst hätten treffen sollen. Ich betrachtete eine zuckende Masse von Suchenden.
Selbst meine Begleitung verabschiedete sich nach 20 Minuten des an der Bar Lehnens und Kopf Wippens. Eher lustlos, fast seufzend. Ich dreh mal eine Runde.
Nachdem ich mich für sehr originell gehalten und jemandem auf der Tanzfläche ins Ohr geschrien und gefragt hatte, wonach er suchte, er aber nur durch mich hindurchzusehen schien, ging ich dann. Ich sah selbst die Sinnlosigkeit meiner Aktion.
Draussen dann empfand ich die Nacht als wunderschön, viel schöner als jeden Club, den ich je besucht hatte. Ich spazierte nach Hause und dachte über unser aller Suche nach. Wonach suchten wir? Und war das überhaupt berechtigt? Hatten wir denn nicht schon alles?
Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich wohl etwas suche, was ich viel früher schon verloren habe. Aber vielleicht geht das jedem so. Möglicherweise rennen wir oft Empfindungen nach, die uns als das Ultimum vorgelebt wurden oder welche wir so schon einmal erlebten (prägende Phase, Kindheit, Freud lässt grüßen). Oder wir haben einfach überzogene Erwartungen an das Leben. Gehört das Suchen zu unserem Leben vielleicht einfach dazu?
Einer meiner engsten Freunde, den ich als den am meisten Suchenden empfinde, der jagt Liebe, Bestätigung und Aufmerksamkeit nach. Im besten Fall durch andere Menschen oder durch eine Partnerin. Wenn wir darüber sprechen, dann denke und sage ich oft: Du bist auf der Suche nach dir selbst. Oder einem Spiegel, der dir zeigt, dass du begehrens- und liebenswert bist. Dass du es richtig machst, das mit dem Leben. Doch das tust du schon! Aber all das zwanghafte Suchen, Tindern, Powerdaten, Ansprechen führt selten zu etwas, wenn wir uns noch nicht selbst gefunden haben.
I’ve got that 21st century heart beat
Irgendwer sagte einmal, dass man sich erst selbst erkennen muss, bevor man andere sehen kann. Küchenpsychologie. Vielleicht hat das auch niemand gesagt – ich kann hier keinen zitieren.
Ich möchte mich von all dem nicht ausnehmen, ich weiß selbst nicht, warum ich um zwei Uhr morgens einen Club besuche, in den ich eigentlich niemals gehe. Aber an diesem Abend wird mir bewusst, wie traurig das doch alles ist, dieses Suchen und nicht Finden. Und wie verzweifelt viele von den Menschen auf der Tanzfläche dort ausgesehen hatten. Frühmorgens, angetrunken, ihrer Fassaden beraubt, müde vom Suchen. Großstädter, die doch alles haben und eine gute Zeit haben könnten. Die sich aber scheinbar viel lieber in einem dunklen Kellerraum gegenseitig ins Ohr brüllen, als 500 Meter weiter einen Nachtspaziergang zu machen und sich dabei näher zu kommen – nur sich selbst.
Oder einem anderen Menschen.
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